Auch, wenn’s schmeckt, ist’s ein Problem! - Die ökologischen Verstrickungen des Fleischkonsums  
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Quelle: Grüne Liga e.V.

Auch, wenn’s schmeckt, ist’s ein Problem!

Die ökologischen Verstrickungen des Fleischkonsums

Der Verkehr ist Hauptemittent vom klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2). Haben Sie Zweifel daran? Nun, das sollten Sie. Denn die Viehzucht ist mit einem Anteil von 18 Prozent CO2-Äquivalenten stärker am Treibhauseffekt beteiligt, als der gesamte weltweite Verkehr. Hierbei spielt natürlich nicht nur Kohlendioxid eine Rolle. Um genau zu sein: neun Prozent des anthropogenen Kohlendioxids, 37 Prozent des anthropogenen Methans und 65 Prozent der Stickoxide, die weltweit freigesetzt werden, stammen aus der Nutztierhaltung.

Ein weiterer Aspekt, der oft nicht bedacht wird: Zur Haltung, Aufzucht und Schlachtung der Nutztiere werden enorme Energiemengen benötigt. Mehr als ein Drittel der gesamten weltweiten Rohmaterialien und des fossilen Brennstoffes werden für die Aufzucht von Nutztieren verbraucht. Das britische Magazin „New Scientist“ gibt an, dass die Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch das Klima so stark belastet wie eine 250 Kilometer lange Autofahrt.

Zwischen den Jahren 1990 und 2004 ist die weltweite Fleischproduktion von circa 170 auf 250 Millionen Tonnen pro Jahr gestiegen. Für das Jahr 2050 wird ein Anstieg auf rund 465 Millionen Tonnen prognostiziert. Die Milchproduktion soll von derzeit 580 auf jährliche 1040 Millionen Tonnen ansteigen. Einen Hauptgrund für diesen Anstieg stellt die wachsende Weltbevölkerung dar. Doch selbst wenn mittlerweile auch die Entwicklungsländer einen vermehrten Fleischkonsum verzeichnen, werden sie auf längere Sicht keinen Vorteil, sondern zusammen mit der Umwelt drastisch unter dem Fleischkonsum zu leiden haben.

Futter- beziehungsweise Nahrungsmittelbedarf

Fleischkonsum stellt eine der gravierendsten Formen der Nahrungsmittelverschwendung dar. Die Tiere müssen bis zur Schlachtung gemästet werden. Dafür werden große Mengen pflanzlichen Futters verwendet, der Hauptteil (circa 90 Prozent!) der verfütterten Kilokalorien, also der zugeführten Energie, wird zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur und ihrer übrigen Lebensfunktionen der Warmblüter benötigt. Nur circa zehn Prozent der Energie aus den Futtermitteln resultiert in einen Biomasse-Zuwachs. Konkret heißt das, dass für die Produktion von einem Kilogramm Fleisch – je nach Tierart – sieben bis 16 Kilogramm Getreide oder Sojabohnen verfüttert werden müssen. Die Schlachtabfälle, in die ebenso Energie zum Aufbau fließt, sind hierbei noch nicht berücksichtigt. Diese ließen die Bilanz noch drastischer ausfallen, denn beim Rind macht der Gewichtsanteil an verwertbarem Fleisch (ohne Knochen) nur 35, beim Kalb 39 Prozent aus.

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Food and Agriculture Organisation of the United Nations (FAO) können mit den Kartoffeln, die sich auf einem Hektar Land anbauen lassen, pro Jahr 22 Menschen ernährt werden. Bei Reis seien es 19, aber nur zwei Menschen bei Lamm- und nur einer bei Rindfleisch.

Wasserverschwendung

Die UNESCO beziffert die Anzahl der Menschen, die unter Wassermangel zu leiden haben, mit über zwei Milliarden. Auf der World Water Week in Stockholm wurde 2004 festgestellt, dass diese Wasserknappheit weiter voranschreiten wird und ihr vor allem durch eine vegetarische Kost begegnet werden könne. Laut „Spiegel“ sieht auch der Wasserexperte Frank Rijsberman den Verzicht auf Fleisch als die effektivste Methode an, Wasser zu sparen. Für die Viehzucht werden enorme Wassermengen benötigt: 3.500 bis 100.000 Liter für die Erzeugung von einem Kilogramm Fleisch. Dieser enorme Verbrauch resultiert aus den Wassermengen, die für die Futtermittelproduktion sowie für den Betrieb in den Haltungsbetrieben und den Schlachthäusern benötigt werden. Zwei Vergleiche: Die Produktion von Weizen erfordert nur 50 Liter Wasser pro Kilogramm. Verzichtete man, um Wasser zu sparen, ein Jahr lang auf das tägliche Duschen (circa 7 Minuten), hätte man lediglich soviel Wasser eingespart, wie die Produktion von einem Kilogramm Fleisch erfordert.

Allein eine mittlere Schweinefarm erzeugt Exkremente in einer Größenordnung, die denen einer 10.000-Einwohner-Stadt entspricht. Allerdings werden tierische Exkremente nicht in Kläranlagen gereinigt, sondern als Dünger auf Feldern ausgebracht. Dadurch gelangen Ammoniak und Nitrat ins Grundwasser und in die Gewässer. Diese Eutrophierung bringt die Gewässer aus ihrem ökologischen Gleichgewicht. Es kann zur Algenblüte kommen, wodurch dem Gewässer die Nährstoffe wieder entzogen werden. Sind diese aufgebraucht, sterben die Algen ab und sinken zu Boden. Hier finden Verwesungsprozesse statt, die dem Gewässer den Sauerstoff entziehen und ein „Kippen“ des Gewässers zur Folge haben können. In Europa haben die Nitratmengen, die ins Grundwasser gelangen, schon dazu geführt, dass einige ineralwassermarken nicht mehr Trinkwasserrichtwerte erfüllen. Die Wasserverschmutzung ist hier zu über 50 Prozent eine Folge der Massentierhaltung.

Landflächenverbrauch

Betrachtet man die für die Viehzucht benötigten Weideflächen und diejenigen, die zum Anbau der Futtermittel benötigt werden, ist die Viehzucht der mit Abstand größte Landnutzer auf der Erde; 70 bis 80 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche und 30 Prozent der Landoberfläche auf der Erde werden für die Nutztierhaltung beansprucht. Aber während man auf einem Hektar Land circa 22.000 Kilogramm Kartoffeln anbauen kann, reicht diese Fläche nur für 185 Kilogramm Rindfleisch. Den benötigten Landflächen müssen oft Regenwälder weichen. Die FAO hielt 2006 in einer Studie fest, dass 70 Prozent der Amazonas-Fläche, die bisher vernichtet wurde, als Weideland benötigt wurden. Ein Großteil der restlichen 30 Prozent diente dem Anbau von Futtermitteln.

Bodendegradierung

Durch starke Abgrasung, Versauerung der Böden durch Überdüngung sowie durch Bodenverdichtung wird die Regeneration der Pflanzenstecklinge verhindert. Ohne Bewuchs kommt es, besonders in trockenen Gebieten, schnell zur Erosion welche den fruchtbaren Lößanteil der oberen Bodenschichten abträgt und den Boden somit für lange Zeit „unbrauchbar“ macht. Eine Pflanzendecke ist aber auch für den Wasserhaushalt des Bodens wichtig. Es folgt eine vermehrte Austrocknung der Böden, die sich bis zur Desertifikation steigern kann. In den USA wird die Viehzucht bereits für 55 Prozent der Bodenerosion verantwortlich gemacht.

Waldsterben und -vernichtung

Von den fast sieben Millionen Tonnen Soja, die Deutschland jährlich importiert, stammen mehr als drei Millionen Tonnen aus Brasilien. Hier mussten bereits 1,2 Millionen Hektar Regenwald vernichtet werden, um Platz für den Soja-Anbau zu schaffen. Das Soja wird natürlich nicht verwendet, um Tofu herzustellen, sondern wird zu 90 Prozent als Futtermittel für die Nutztiere benötigt. Neben dem Schaden, den die Abholzung und Verbrennung großflächiger Baumbestände verursacht, nehmen die Wälder aber auch durch andere Aspekte der Viehzucht Schaden. Bleiben wir in Deutschland: Hier entstehen durch die Nutztierhaltung jedes Jahr bis zu 300 Millionen Tonnen tierischer Exkremente. Diese werden wie bereits erwähnt als Dünger verwendet. Allerdings werden dadurch nicht nur die Gewässer belastet. Durch Stickstoffeinträge in Form von Ammoniak entsteht zudem Saurer Regen, der mittlerweile als Hauptursache des Waldsterbens und als mitverantwortlich für den Treibhauseffekt gilt. Dort, wo Wälder sterben oder abgeholzt und abgebrannt werden, verliert auch immer eine große Anzahl der heimischen Tiere ihren Lebensraum oder ihr Leben. Besonders in den Regenwaldgebieten gilt die Viehzucht mittlerweile als ein Hauptverursacher des Artensterbens.

Feinstaub-Belastung

Wie bei der Kohlenstoffdioxidemission wird auch in Bezug auf die Feinstaubproblematik vor allem der Verkehr ins Kreuzfeuer genommen. Man sollte aber andere Feinstabquellen nicht ganz außer Acht lassen. Aus Ammoniak, das in großen Mengen durch die tierischen Fäkalien in die Atmosphäre gelangt, entstehen sekundäre Aerosole, welche als Feinstaub (PM10) unsere Umwelt und Gesundheit gefährden.

Antibiotika- und Hormoneinsatz

Beispiel Schweiz: Obwohl dort wie in vielen anderen Ländern der vorbeugende Antibiotikaeinsatz verboten ist, werden 90 Prozent der Schweizer Kälber mit Antibiotika behandelt. Allein für die Euterbehandlungen der Milchkühe werden in der Schweiz rund zwei Tonnen Antibiotika pro Jahr eingesetzt. Dies ist nicht ungesetzlich, denn bei den Haltungsbedingungen, denen die Nutztiere ausgesetzt sind, werden viele von ihnen krank und somit ein Antibiotikaeinsatz legitimiert. Über die Düngung mit tierischen Fäkalien gelangen Antibiotikarückstände auch auf Nutzpflanzen. 2005 konnten solche Rückstände in einer vom NRW-Verbraucherschutzministerium in Auftrag gegebenen Studie in Nutzpflanzen (Getreide) nachgewiesen werden. Selbst durch geringe Rückstände besteht die Gefahr von Antibiotikaresistenzen. Durch die Behandlung der Nutztiere mit Medikamenten und Hormonen (zur Leistungssteigerung) entsteht ein Kreislauf, der unvorhersehbare Folgen für ganze Ökosysteme und nicht zuletzt auch unsere Gesundheit hat.

Fischkonsum

Wissenschaftler von der Dalhousie University sowie vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften berichten 2005 im Wissenschaftsmagazin „Science“, dass innerhalb der letzten 50 Jahre die Artenvielfalt in allen Meeren um 10 bis 50 Prozent gesunken ist. Der Fischfang verzehnfachte sich in der entsprechenden Zeit. Den Berechnungen der Wissenschaftler zufolge ist die Artenvielfalt im Atlantik und im Indischen Ozean um 50 Prozent, im Pazifik um 25 Prozent zurück gegangen. Man könnte meinen, dass die steigende Anzahl von Zuchtfarmen diesem Negativtrend entgegenwirkt. Dem ist aber nicht so, denn auch der Fisch, der aus Zuchtfarmen stammt, führt zur Überfischung und Verschmutzung der Meere. Die meisten Speisefische ernähren sich carnivor, benötigen also tierisches Eiweiß. Für ein Kilogramm Zuchtfisch müssen rund vier Kilogramm Fisch verfüttert werden – welcher wiederum aus dem Meer stammt! Hinzu kommen erhebliche Mengen von Antibiotika und Impfstoffen, da sich die Fische sonst auf den Zuchtfarmen gegenseitig wundscheuern und Krankheiten ausbrechen würden. Für einen vier Kilogramm schweren Zuchtlachs müssen bis zu seinem Verzehr bis zu 400 Gramm Antibiotika eingesetzt werden. Diese werden zusammen mit anderen Medikamenten und Impfstoffen dem Meerwasser mit dem Futter zugeführt und breiten sich auch über das Zuchtgebiet hinweg im Meer aus. Auch für die Zucht von Garnelen und Krabben werden immer größere Zuchtbetriebe errichtet; für diese müssen Mangrovenwälder weichen. Die Mangrovenwälder haben eine wichtige ökologische Funktion: Sie dämpfen Flutwellen. Auf den Philippinen wurden bereits rund 93 Prozent der ursprünglichen Mangrovenwälder für den Weltmarkt in Krabbenzuchtbetriebe umgewandelt.

Eine doppelt negative Rückkopplung hat die Massentierhaltung bei der Fütterung der Schlachttiere mit Fischmehl. Laut der Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus (SSV) wird ein Drittel des weltweiten Fischfanges zu Fischmehl verarbeitet. Davon werden wiederum zwei Drittel an Schlachttiere verfüttert.

Sind Milchprodukte weniger kritisch zu betrachten?

Nein, auch der Verzehr von Milchprodukten ist unter ökologischen Gesichtspunkten als kritisch anzusehen. Die Tiere müssen zwar nicht gemästet wer den, sollen aber unnatürlich große Milchmengen produzieren. Daher werden auch für die Milchproduktion große Mengen von Futtermitteln verwendet, welche die gleiche Problematik aufwerfen wie die der „Fleischlieferanten“. Circa ab dem zweiten Lebensjahr werden Milchkühe durch künstliche Befruchtung permanent schwanger gehalten. Durch das Melken mit mechanischen Pumpen kommt es häufig zu Entzündungen (Mastitis), die den Einsatz von Antibiotika erfordern. Kühe müssen mittlerweile bis zu 10.000 Liter pro Jahr und damit das Zehnfache der Milchmenge produzieren, zu der sie natürlicher Weise in der Lage wären. Die Tiere werden in der Regel nur fünf, statt der natürlichen 20 Jahre alt. Sobald sich die Milchproduktion nicht mehr rentiert, werden die Tiere geschlachtet. Bei etwa der Hälfte des in Deutschland produzierten Rindfleisches handelt es sich um Nebenprodukte der Milchindustrie. Die enorme Leistungssteigerung und der Antibiotikaeinsatz fallen auch bei Biomilch nicht weg. Zwar werden die Medikamente hier zurückhaltender eingesetzt, dadurch kommen aber häufiger Entzündungen des stark beanspruchten Euters vor.

Wie ist Fleischkonsum finanziell überhaupt tragbar?

Betrachtet man die Supermarkt-Preise für ein ganzes Huhn (aktuell zum Bespiel ein 1,2 Kilogramm schweres tiefgekühltes „Fleischhähnchen für 2,99 Euro im real-Markt) und rechnet im Kopf nach, was wohl an Futter, Energie, Miet-, Schlacht- und Transportkosten im Laufe seines Lebens bis zur Lieferung in die Tiefkühltruhe des Supermarktes entstehen, wird schnell klar, dass sich dieser Preis nicht rentieren kann. Es werden immense Subventionen vom Staat gezahlt. Dies geschieht national wie international. Nur so lässt sich Fleisch profitabel produzieren. Die ökologischen Kosten sind hierbei noch gar nicht eingerechnet. Das Worldwatch-Institut in Washington schätzt, dass sich der Fleischpreis verdoppeln oder verdreifachen müsste, wenn man diese einbeziehen würde. Die Folgekosten im Gesundheitswesen kämen noch dazu. Diese Kosten werden über kurz oder lang dem Steuerzahler auferlegt werden. Es fragt sich, in wessen Interesse das geschieht?

Fazit

Den völligen Fleisch- und Milch-Verzicht bei der Bevölkerung zu erreichen ist Utopie. Aber mit der Distanzierung von der oft grausamen und immer umweltschädlichen Massentierhaltung, wäre ein erster und entscheidender Schritt getan. Das einfachste und direkteste Mittel des Boykotts ist die sinkende Nachfrage. Wer keine Massentierhaltung unterstützen will, darf auch keine Produkte kaufen, die aus dieser stammen. Tierische Produkte sollten weniger häufig und wenn, dann möglichst von Biobauernhöfen, denen man vertraut, oder zumindest aus Bioläden bezogen werden.

Selbst wenn Biofleisch doppelt so teuer sein sollte, wie solches aus der Massentierhaltung, muss der Konsum lediglich halbiert werden, um die Mehrkosten tragen zu können. Damit täten die meisten Menschen nicht nur der Umwelt, sondern auch ihrer Gesundheit viel Gutes.

// Anke Siegert
GL Bundesverband

Kleine Anmerkung am Rande: In diesem Artikel wurde bewusst die ethische Hinterfragung des Fleischkonsums ausgespart. Es sollte um die Argumente für einen verminderten Fleischkonsum aus umweltpolitischer Sicht gehen. Wenn Sie sich trotzdem auch über den ethischen Aspekt des Fleischkonsums informieren möchten, finden Sie aktuell unter
http://www.peta.de/goveggie/grausamkeit_an_tieren.506.html (12 Minuten) eine kurze Dokumentation zum Thema Massentierhaltung sowie unter
http://veg-tv.info/Earthlings
die vielfach ausgezeichnete Dokumentation „Earthlings“ (Spielfilmlänge). Die Bilder, die diese Dokumentationen zeigen, sind nie schön und oft sehr grausam, aber das ist es nun mal, was dem Fleisch im Supermarktregal vorangegangen ist.

Rundbrief der GRÜNEN LIGA e. V.
Ausgabe April/Mai 08 (827 kB)
http://www.grueneliga.de/alli/artikel/Alligator_Apr_Mai_08.pdf